Die bizarre Form hat ihr den Namen „Elchgeweihflechte“, botanisch – Evernia prunastri – eingetragen. Das strauchförmige Gewächs mit seinen bis zu fünf Millimeter breiten, strauchig verzweigten Bändern findet man auf Bäumen, gelegentlich an der Rinde von Hecken. Es wird bis zu 10 cm groß.
„Eichenmoos“, ein weiterer geläufiger Name der Flechte, kommt in ganz Europa vom nördlichen Skandinavien bis in den Mittelmeerraum vor. Es wächst am liebsten auf der sauren Rinde von Laub- und Nadelbäumen und liebt das Astwerk von Eichen. An windoffenen Standorten überzieht die Flechte die Flanken der Baumstämme häufig mit einem dichten Teppich.
Flechten wie diese sind Doppelwesen. Was auf den ersten Blick so aussieht wie eine eigene Lebensform, ist eigentlich eine hochentwickelte Symbiose zwischen einem Pilz und einer Alge.
Während der Pilz die äußere Form der Lebensgemeinschaft bestimmt, versorgen die in ihm lebenden Algen ihren „Hausherrn“ mit Nahrung. Sie übernehmen die Aufgabe der Photosynthese und bezahlen im Gegenzug ihren Wirt eine „Miete“ in Form von hochwertigen Naturalien, wie Kohlenhydrate und andere Mikronährstoffe. Die Algen, meistens Grünalgen oder Cyanobakterien (Blaualgen), könnten für sich alleine überleben, aber der Pilz wäre ohne seine Alge nicht lebensfähig.
Wegen ihrer skurilen Vielzweigigkeit ist die Elchgeweihflechte ein wahrer Staubfänger, und bleibt nicht lange allein. In den vom Wind eingetragenen kleinen Humusnestern siedeln sich bald Moose an. Die Flechtenkolonie wird schnell zur Kinderstube für ganze Insektengenerationen. Im Geäst der Flechte finden sich Insekten in allen Entwicklungsstadien, vom Gelege über Larven und Puppen bis hin zu Vollinsekten. Davon profitieren wiederum zahlreiche Spinnen und Insekten fressende Vogelarten, die immer wieder mal hier auf der Suche nach Nahrung patrouillieren.
Flechten, (Lichenes) sind eine etwa 16000 Arten umfassende Pflanzengruppe, die als feste Lebenspartnerschaften vor allem dort noch überleben, wo klimatische Extrembedingungen anderes pflanzliches Wachstum nicht mehr zulässt. Die Algen, die gewöhnlich an Schwachlichtstandorte angepaßt sind, vermögen in der Flechte, deren Rinde einen Teil der Strahlung absorbiert, an voll besonnte Orte vorzudringen. Insgesamt sind ca. 30 Algen- und Cyanobakterien-Gattungen, die hier als „Photobionten“ leben, in Flechten bekannt, doch konnten diese erst bei weniger als 2% aller Flechten identifiziert werden.
So unempfindlich Flechten gegen Hitze oder Kälte sind, reagieren sie sehr sensibel auf Schadstoffe in der Luft. Sie wachsen nur in Reinluftgebieten. Deshalb findet diese Flechtenartr, die irreführend auch „Baummoos“ genannt wird, zusammen mit echten Moosen Einsatz im Biomonitoring zur Beurteilung der Luftqualität in Wohngebieten. In Deutschland gilt die Elchgeweihflechte als eine gefährdete Art.
Flechten sind nicht parasitär. Das heißt, dass sie den Strauch oder den Baum auf dem sie leben, nicht schädigen. Sie benutzen ihn lediglich als Anker.
In der Parfümherstellung ist das Destillat aus Eichenmoos ein Basis-Duftstoff. In Südfrankreich wird die Art in großen Mengen gesammelt, und in einem aufwendigen Verfahren zu „mousse de chêne“ oder „mousse odorante“ verarbeitet.