Was Insekten im Ökosystem leisten

Wir Menschen haben im Allgemeinen ein gespaltenes Verhältnis zu Insekten. Wir ekeln uns vor Spinnen, Silberfischen, Maden. Wir fürchten uns vor Wespen, Hornissen, Zecken und Stechmücken. Wir bewundern die Flugkünste der Libellen, die Schönheit der Schmetterlinge. Und wenn wir Menschenähnliches in ihnen entdecken, können wir sie sogar lieben, zumindest wenn sie Käfer Karl oder Biene Maja heißen.

Wir unterscheiden zwischen Nützlingen, Lästlingen und Schädlingen und verstellen mit einer solchen Einteilung den Blick auf die Leistungen der größten Gruppe des Tierreiches für das Funktionieren vielfältiger Interaktionen in der Natur.

Die Leistungen der Nützlinge ist so ziemlich jedem klar, und sie stehen im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Es klingt mittlerweile fast banal, aber ohne Bienen, Käfer, Schmetterlinge, Fliegen & Co wäre unser Nahrungsangebot erheblich reduziert. Ohne die Bestäubung durch Insekten gäbe es keine Erdbeeren, keine Tomaten, keine Gurken, keinen Spargel, keine Äpfel, Birnen, Zwetschen, Kirschen. Auch Zitrusfrüchte, Feigen, Mandeln, Brombeeren, Preiselbeeren, Melonen, oder Himbeeren tragen nur Früchte, wenn sie von Insekten besucht wurden. Kulturpflanzen wie Kakao, Vanille und Maracuja sind zu 100 Prozent auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Die Aufzählung ist natürlich meilenweit entfernt davon vollständig zu sein.

84 Prozent der europäischen Nutzpflanzen profitieren von einem Service, den uns allein die Bestäubungsinsekten liefern. Weltweit liegt allein die Wertschöpfung der Honigbienen bei circa 265 Milliarden Euro im Jahr. Und die Honigbienen leisten gerade mal die Hälfte der Bestäubungsdienste an unseren Kulturpflanzen. Den Rest erledigen ihre wilden Verwandten, zahlreiche Fliegenarten, Käfer und natürlich die Schmetterlinge.

Was für unsere Kulturpflanzen gilt, ist  mindestens so wichtig für die unermessliche Vielfalt der auf Bestäubung angewiesenen Wildpflanzen und Blumen. Waldbaumarten wie Ahorn, Rosskastanie, Kirsche oder Linde vermehren sich durch die Bestäubung von Insekten wie Bienen, Wespen, Fliegen, Käfern und Schmetterlingen.

Aber Bestäubung ist nicht der einzige Grund, warum wir die Insekten schützen sollten. Insekten haben viele Funktionen in der Natur. Wer Insekten schützt, der bewahrt auch für alle möglichen Tierarten eine ergiebige Nahrungsquelle.

Insekten sind die artenreichste Spezies und auch die Spezies mit der höchsten Biomasse: Die Masse aller Lebewesen auf der Erde beträgt etwa eine Milliarde Tonnen. Davon sind 90% Insekten. Die meisten Insekten dienen AUCH als Nahrung für andere Tiere.

Spechte, Schwalben, Mauersegler, Meisen und Spatzen sind typische insektenfressende Vögel. Fütternde Mauersegler-Brutpaare sammeln für ihre Kleintiere pro Tag über 20.000 Insekten. Mäuse, Igel, Eidechsen oder Frösche ernähren sich ganz oder teilweise von Insekten und deren Larven, die wiederum sind in der Nahrungskette wichtig für Raubvögel, Füchse, Marder usw.. 

Das gilt auch für die große Zahl der Nachtinsekten wie Nachtfalter und Spanner. Fledermäuse machen auf sie Jagd. Ohne Beute keine Räuber, ohne Räuber “Schädlings”-plagen. Insekten gehören zum Nahrungsangebot der meisten Fluss- und Seefische. Nicht nur die Räuber, auch die Fische fressen Insekten und deren Larven. Die Nahrung von Forellen oder Bachsaiblingen besteht bis zu 90 Prozent aus Insekten und deren Larven. Auch die samenfressenden, vegetarischen Vögel profitieren indirekt von den Bestäubungsinsekten. Zahlreiche Insekten ernähren sich von Insekten. In intakten Naturräumen hat jeder Schädling mindestens einen Gegenspieler, der eine unkontrollierte Ausbreitung verhindert. Das ist auch für einen biologischen Pflanzenschutz wichtig. Kluge Landwirte und Gärtner machen sich das zu Nutzen. Über 50 Insektenarten werden in der Landwirtschaft für die Schädlingsbekämpfung gezüchtet und eingesetzt. Ein Marienkäfer frisst am Tag bis zu 50 Blattläuse. Gegen Tripse und Spinnmilben kommen gezüchtete Florfliegen und Raubmilben zum Einsatz, Schlupfwespen legen ihre Eier in die Larven von Schadinsekten.

Insekten sorgen dafür, dass wir nicht im Dreck ersticken. Sie sind die Müllmänner der Natur beim größten Entsorgungsbetrieb der Erde.

Ohne Insekten würden wir im organischen Abfall ertrinken. Was wäre, wenn Insektenarten wie Mistkäfer oder Schmeißfliegen nicht mehr den Kot oder die Kadaver von größeren Tieren verwerten würden. Eine einzige Kuh kann pro Tag ein Dutzend Kuhfladen produzieren, das entspricht rund 4800 Kilogramm Dung pro Kuh und Jahr. Und es gibt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes allein in Deutschland 12,4 Millionen Rinder. 

Die Larven der Fliegen und zahlreiche Käferarten  “entsorgen” Tierkadaver. Unmengen an Insekten helfen auch dabei, pflanzliche Abfälle im Recyclingbetrieb der Natur einer nachhaltigen Wiederverwertung zuzuführen.

Frisch abgestorbenes Holz wird zuerst von einer Vielzahl von spezialisierten Insekten besiedelt. Dazu gehören zum Beispiel die Borkenkäfer. Sie bohren Löcher in die Rinde und ins Holz. So machen sie abgestorbene Bäume für weitere Holz- und Rinden fressende Insekten und für Pilze zugänglich.

Ich glaube, das erste was wir tun müssen ist, um dem Insektensterben entgegenzuwirken ist, wieder ein allgemeines Bewusstsein dafür schaffen, dass die ökologischen Zusammenhänge beachtet werden müssen.

Solange zum Beispiel eine Eiche lebt, ist sie ein Kleinbiotop für etwa 800 Arten – Pflanzen, Pilze und Tiere. Stirbt ein Baum, dann zieht neues Leben in ihn ein. In einem gesunden naturnahen Wald sind mehr als 1400 Käferarten, 600 Großpilzarten, Flechten, Moose, Farne, Spinnen, Asseln, Nacktschnecken sowie zahlreiche Vögel, Säugetiere und Lurche auf Holzverarbeitung und -verwertung spezialisert. 

Zahlreiche Insektenarten betätigen sich als Gärtner

Waldameisen und Käfer verteilen die Samen von rund 150 Pflanzenarten. Ihre Bewegung und Transporttätigkeit halten den Boden fruchtbar. Ameisen lockern zum Beispiel den Boden mit ihren Gangsystemen auf. Dies fördert die Wurzelbildung der Pflanzen. Durch die bessere Belüftung des Bodens können Pflanzenreste besser in Humus umgewandelt werden. Solche  natürlichen Prozesse funktionieren nur in artenreichen Mischwäldern, in denen mehrere Baumarten, Laub- und Nadelbäume gemeinsam vorkommen.

Wenn wir die vielfältigen Aufgaben der Insekten in der Natur betrachten, dann dürfen wir das nicht isoliert  für jede Art tun. Die Regeln , die in der Natur gelten, werden definiert in der Lehre von der Ökologie. Diese Teildisziplin der Biologie erforscht die Beziehungen von Lebewesen (Organismen) untereinander und zu ihrer unbelebten Umwelt. Wir Menschen sind noch weit davon entfernt, alle Gesetzmäßigkeiten der Natur zu erkennen. Unser Verständnis für das fein abgestimmte Miteinander der Natur ist noch sehr unterentwickelt.

Einerseits verfügen wir über ein ungeheueres kollektives Wissen über die Natur, aber es fällt uns sichtlich schwer, dieses Wissen dafür zu nutzen, einigermaßen nachhaltig mit Natur umzugehen.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s