Wacholderheiden

Jetzt, Ende August, stehen die wenigen noch verbliebenen alten Heideflächen in voller Blüte und bieten auch den Honigbienen eine letzte späte Tracht. Beim Wandern durch die streng geschützten Eifeler Wacholderheiden fühlt man sich ein bisschen an die Lavendelfelder Südfrankreichs erinnert. Die aufrecht stehenden Scheintrauben der Erikapflanze sind sind zwar nicht tiefblau sondern rot- bis rosalila gefärbt. Doch genau wie der Lavendel bestimmen sie die Farbe der Landschaft und auch die Milliarden von Blüten üben eine unwiderstehliche Anziehung aus auf unsere Nektarsammlerinnen.

Imkerei hat in meiner Heimat, der Eifel, Tradition. Schon in der ersten schriftlichen Beschreibung des Mittelgebirges von Sebastian Münsters „Eyfalia“ (1588) heißt es: „Der Eyffler hantierung ist fast mit rind viech, honig und wachs.“

Solche Wachholderheiden waren tatsächlich einmal die Grundlage eines vergangenen Honig- und Wachsreichtums. Zu Lebzeiten Münzers war die Eifel nicht die waldreiche Gegend von heute. Die damals florierende Eisenverhüttung hatte einen ungeheuren Raubbau an Holz, dem einzig verfügbaren Brennstoff, zur Folge. Münster schreibt:“in den herrschafften Keila, Cronenberg und Sleida im thal Hellental macht man fürbündig gut schmid eisen, man geußt auch eysenn öfen, die ins Oberland, als Schwaben und Francken verkaufft werden.“

Die aufkeimende Eisenindustrie forderte große Mengen an Brennmaterial für die ortsnahe Verhüttung. Eine intensiv betriebene Waldköhlerei ließ große Kahlschläge entstehen, auf denen  dann die sogenannte Schiffelwirtschaft betrieben wurde. Bei dieser Form der Brandfeldwirtschaft wurde das wuchernde Buschwerk in den entwaldeten Gebieten großflächig abgebrannt. Auf dem aschegedüngten Boden konnte man für kurze Zeit einen ertragsarmen Ackerbau beteiben. Die ausgelaugten Flächen blieben danach über Jahre hinweg brach liegen und wurden von Wacholder und Heidekraut besiedelt.

Landwirtschaftlich waren diese durch Übernutzung entstandenen Wachholderheiden dann nur noch als Schaf oder Ziegenweiden zu gebrauchen. Während der Wacholder vom Vieh nicht verbissen wird, verträgt das Heidekraut die Beweidung durch Schafe und Ziegen hervorragend. Ein regelmäßiger Verbiss fördert die Verjüngung der Pflanzen sogar.

Die früher massenhaft anzutreffende Besenheide (Calluna vulgaris) hat am Ende der Eifel den frühen Ruf eines ausgezeichneten Bienenlandes gegeben. Der Kleinstrauch ist eine hervorragende Bienenweide, und lieferte in den großen, nicht wieder aufgeforsteten Rodungsgebieten den Imkern eine sichere und üppige Spättracht.

Für Münster war das der Gnade Gottes geschuldet, der die Eifel „nit onbegabet gelassen, der dann einem ieden land etwas gibt, darvon sich die ynwoner mögen betragen und erneren.“ Aus heutiger Sicht muss man sagen: Wacholderheiden sind das Ergebnis eines frühen Raubbaus an der Natur. Was für den Wald und – langfristig betrachtet – auch für die Eifler Landwirtschaft eine Katastrophe war, war lediglich für die Imkerei der frühen Neuzeit ein Segen!

Der Rückgang der Schafhaltung und die systematischen Wiederaufforstungen im 19. Jahrhundert mit dem „Preußenbaum“ Fichte ließen auch die ehemals ergiebigen Heidetrachtgebiete in der Eifel weitgehend wieder verschwinden. Was von dieser frühneuzeitlichen Landnutzung noch bis heute an Wachholderheiden verblieben ist, steht unter Naturschutz. Denn natürlich siedeln sich auch in den neu entstandenen Kalamitätsflächen Arten an, die mit Extrembedingungen zurechtkommen.

Als Reste einer historischen, durch Übernutzung entstandenen „Kulturlandschaft“ sollten die Wacholderheiden uns besonders heute daran erinnern, dass menschliche Eingriffe in den Haushalt der Natur sich auf lange Sicht immer rächen. Angesichts der zweiten großen Trockenheit in Deutschland in kurzer Folge gehört der Besenheide vielleicht wieder die Zukunft, denn sie ist hart im Nehmen. Bei Versuchen, in denen die Dürreverträglichkeit von Pflanzen untersucht wurde, schnitt die Besenheide deutlich besser ab als andere Pflanzenarten des Graslandes. [1]

Das immergrüne Laub des anspruchslosen und pflegeleichten Kleinstrauchs und die späte Blüte haben das Heidekraut zu einer beliebten Friedhofspflanze werden lassen. Doch beim Kauf von Pflanzen ist Vorsicht geboten. Auch wenn die Wildform des Heidekrautes eine ausgezeichnete Insektenweide ist, dann gilt das nicht auch automatisch für die Angebote in den Gartenmärkten. Hier sind bei den Erikagewächsen so genannte Knospenblüher die Renner. Darunter versteht man eine Sortengruppe der Calluna vulgaris, bei denen sich die Blütenknospen nicht öffnen, denn die Kelchblätter dieser Züchtungen erzeugen die sortentypische Farbe. Deshalb liefern sie auch keinen Nektar und keinen Pollen. Solche ökologisch wertlosen Zuchtformen der Besenheide haben mit der wildwachsenden Pflanze nur gemeinsam, dass sie extrem widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse sind. Wer sich für solche Pflanzen aus dem Gartenmarkt entscheidet entzieht den Insekten in der späten, für die Überwinterung wichtigen Spättracht ab August eine wichtige Nahrungsquelle.

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