„Dornen und Disteln soll der Acker dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ – Seit der Vertreibung des Menschen aus dem Garten Eden sind Disteln und Dornen lebendige Symbole für eine in den Augen Gottes in Ungnade gefallene Menschheit. Sie stehen für Mühsal, Hindernisse und Leiden. Die Bibelsätze aus dem Buch Genesis haben einen sehr konkreten kulturarchäologischen Hintergrund.
Mit den dornentragenden Rosengewächsen wie Wildrose, Himbeere oder Brombeere haben wir uns im Laufe der Kulturgeschichte arrangiert. Doch Disteln versperren sich seit der Zeit, als der Mensch vor etwa 12.000 Jahren sesshaft wurde und den Ackerbau erfand, jeglicher Kultivierung und Anpassung an unsere Lebensweise.
Bei den Landwirten gilt die Ackerdistel seit Urzeiten als Problem-(Un)kraut, dessen Erwähnung in der Bibel wohl sehr begründet ist. Doch botanisch betrachtet ist die Distel keineswegs eine Geißel Gottes, sondern eher ein Geburtsfehler der sogenannten „Neolithischen Revolution“, der Zeit, als die Menschen anfingen Landwirtschaft zu betreiben.
Botaniker nennen Pflanzen wie die Distel Apophyten. Darunter versteht man Gewächse, die auf von Menschen geschaffene Standorte überwechseln und sich dort breit machen.
Wenn der Samen einer Ackerdistel Wurzeln schlägt, kann er diese bis zu 2,80 tief in den Boden senken und sich vegetativ über Wurzelausläufer vermehren. Dann entstehen regelrechte Distelhorste, die nur noch schwer zu bekämpfen sind.
In den Gärten und auf den größeren Rodungsflächen der jungsteinzeitlichen Bauern hatte die ursprüngliche Waldrandpflanze die Chance, auf buchstäblich „weiter Flur“ Fuß zu fassen. Um seine Feldfrüchte auszusäen musste der Bauer schon seit „Adam und Eva“ die bestehende Vegetationsdecke regelmäßig durch Pflügen und Eggen aufbrechen und unkrautfrei halten, um gute Erträge zu erzielen. Das kam der Verbreitung der Distel sehr entgegen. Ihre zahlreichen leichten Samen mit ihren feinen Haarkelchen sind so leicht, dass die als sogenannte „Schirmchenflieger“ vom Wind bis zu zehn Kilometer weit weggetragen werden können. Aufgehen kann die Saat nur dort, wo sie auf unbewachsenem, nährstoffreichem Boden landet.
Es ist also erst die Landwirtschaft selbst, die mit der Urbarmachung der Böden die Grundlage für die rasche und weite Verbreitung der Disteln gesorgt hat. Der mühsame, andauernde Kampf gegen das älteste Unkraut der Landwirtschaftsgeschichte ist ein archetypisches Bild für die Konflikte der Menschheit mit den Gesetzen der Natur. Die „Verdistelung“ von urbar gemachten Rodungsflächen musste den frühen Menschen wie ein Fluch Gottes vorkommen und begründet den Mythos von der Unausrottbarkeit der Distel.
Eine Landwirtschaft, die seit Urzeiten der Natur den Willen des Menschen aufzwingt, schafft sich dadurch erst Probleme mit Schädlingen und Unkräutern, die in natürlichen Lebensräumen gar nicht erst entstehen.
Bis heute stellt sich immer noch die Frage nach den richtigen Methode im Umgang mit dem Problemkraut. Bis vor Kurzem galten Mittel wie Glyphosat oder das Wuchsstoffherbizid Clopyralid als „gute“ landwirtschaftliche Praxis. Doch müssen wir uns im Kampf um höhere landwirtschaftliche Erträge wirklich so brachial gegen die Gesetze der Natur auflehnen?
Mit dem Ausbringen von Ackergiften riskieren wir die Vergiftung der produzierten Nahrungsmittel und des Grundwassers. Die Verdrängung von harmlosen Wildkräutern hat am Ende auch existenzielle Folgen für deren Symbionten bis hin zu deren Ausrottung. (Symbionten sind die die Tiere, Pflanzen, Pilze oder Mikroorganismen, die mit diesen Pflanzen in einer ökologischen Beziehung stehen.)
Die traditionelle Methode der Distelbekämpfung war die Hacke, die nur „im Schweiße des Angesichts“ den Bauern Erfolg brachte. Bei den heutigen Schlaggrößen geht das nicht mehr. In der Biolandwirtschaft kommen zunehmend Geräte zur mechanischen Unkrautbekämpfung auch gegen die Ackerdistel zum Einsatz, die auch in der konventionellen Landwirtschaft Schule machen sollten.
Bedenkt man die Ausbreitungsstrategie des Wildkrautes, verhindern Agrarflächen mit geschlossener Vegetationsdecke die Ansiedlung unerwünschter pflanzlicher Kulturfolger wie der Ackerdistel. Eine alte Maßnahme der Landwirte ist es, abgeerntete Flächen so schnell wie möglich mit schnellkeimenden Zwischenfrüchten wie Klee, Ackersenf u.ä. einzusäen, um anfliegenden Unkräutern keine Chance zu geben, Fuß zu fassen. Das macht zwar mehr Arbeit als Flächen einfach liegen zu lassen und dann vor der Herbst- oder Frühjahrsaussaat mit Totalherbiziden unkrautfrei zu spritzen. Doch Zwischenfrüchte haben seit jeher unbestreitbar auch ackerbauliche Vorteile.
Imker gehören zu den wenigen, die diesem agrikulturellen Totalverweigerer heimliche Sympathie entgegenbringen. Die Pflanze mit dem zweifelhaftem Ruf spendet nämlich reichlich Pollen. Schon ihre Blütenkörbchen duften nach Honig. Hier ist nicht nur für Honigbienen reichlich Nektar zu holen. Die 10 mm langen Röhrenblüten der Ackerdistel sind an sonnigen Tagen randvoll mit dem süßen Pflanzensekret gefüllt.
Als Imker würde ich mir wünschen, dass nach der Getreide- und Rapsernte die Felder vorzugsweise mit Klee als Zwischenfrucht eingesät werden. Fast alle gängigen Kleearten könnten überall dort, wo Getreide angebaut wird, eine hervorragende Spättracht sein. Kleearten keimen schnell und entwickeln relativ rasch ihre Blütenstände. Die Pflanzen sind daran angepaßt, sich nach der Trockenzeit möglichst schnell zu entwickeln und gegen Konkurrenten durchzusetzen. Eine Blüte des Weiß-Klees (Trifolium repens) produziert durchschnittlich zwischen 0,02 und 0,08 Mikroliter Nektar mit einer Zuckerkonzentration zwischen 42 und 65 %.
Für Imker und Bauern wäre das eine klassische Win-Win-Situation. Die Bienen hätten eine hochwillkommene Spättracht. Für den Bauern könnte das ein wertvolles Viehfutter liefern. Als Stickstoffsammler lagert Klee wertvolle Nährstoffe in die Ackerkrume, was der Düngung der Folgefrucht entgegenkommt. Eine dichte Kleewiese verhindert außerdem die Erosion des Ackerbodens. Klee sollten auch diejenigen Leser in ihre Hauswiesen einsäen, die etwas für Insekten tun wollen. Nur nicht zu oft mähen, damit sich die Blüten gut entwickeln können.