Der Ruf der Kraniche

Kraniche sind soziale Tiere. Berühmt sind ihre Hochzeitstänze, bei dem die jungen Vogelpaare flügelschlagend in die Luft springen und den Partner umwerben. Leider erlebt man das nur, wenn man sie in einem ihrer Brutgebiete in Norddeutschland oder den skandinavischen Ländern beobachtet. Kranich-Paare bleiben ihr ganzes Leben lang zusammen. Die Elternvögel betreuen ihre Brut bis zum Flug in die Winterquartiere im Süden. Bei der Rückkehr im Frühjahr schließen die Jungtiere dann ihren eigenen Bund für’s Leben, um eine eigene Familie zu gründen.

In aller Regel erleben wir in der Eifel und in den südlicheren Gebieten nur ihre charakteristischen Flugformationen, wenn sie durch ihren trompetenden monotonen Vokalgesang aus einem abwechselnden langen „crah“, gefolgt von einem kurzen „nuh“ Laut unseren suchenden Blick zum Himmel ziehen.

In althochdeutscher Zeit hießen die Vögel lautmalerisch „Kranuh“, woraus sich unser heutiges Wort „Kranich“ entwickelt hat.

Die Altvögel wechseln sich an der Spitze der Vogelzüge ab. Mit ihren charakteristischen „Eins-“ oder den langgestreckten „V“-Formationen, die sie an den Himmel schreiben, fliegen sie in die immer gleichen Sommer- oder Winterquartiere.

Manchmal rasten die sozialen Vögel auf einem Feld oder einer Wiese in der Nähe unserer Siedlungen, wo sie mit ihren permanenten Kontakt- und Orientierungsrufen bei empfindlichen Menschen durchaus als nächtliche Ruhestörer empfunden werden können.

Kraniche verfügen über ein beachtliches Repertoire an Rufen, mit denen sie sich gegenseitig vor Gefahr warnen, ihr Revier verteidigen, mit denen sie die Jungen zur Flucht oder zum Hinducken veranlassen. In der Brutzeit ertönt das Duett der Kranichpaare, bei dem die dunkleren Lautfolgen der männlichen Tiere, von den helleren Stimmen der Partnerin wiederholt werden.

Mit Schillers Ballade „Die Kraniche des Ibykus“ sind die großen Vögel zu einem festen Bestandteil unseres Kulturkanons geworden. Und einmal mehr begegnen sich Dichtung und Wahrheit. Es ist gewiss kein Zufall, dass es Schwärme der vielstimmigen Vögel sind, „die fernhin nach des Südens Wärme | In graulichtem Geschwader ziehn“, die den götterbegnadeten, wandernden Sänger Ibykus auf seinem Weg zu einem Auftritt in Korinth begleiten. Kurz vor seinem Ziel wird er von Räubern erschlagen. Sterbend bittet er die Kraniche als einzige Mordzeugen, seinen Mörder zu überführen.

Als sich die Korinther trauernd und für den getöteten Sänger Rache fordernd im Theater der Stadt versammelt haben, verdunkelt sich der Himmel „Und über dem Theater hin, | Sieht man, in schwärzlichtem Gewimmel, | Ein Kranichheer vorüberziehn.“

Mit den berühmten Versen: „Sieh da! Sieh da, Timotheus, | Die Kraniche des Ibycus!“ überführen sich die Mörder selbst.

Die Kranichgruppen, die jetzt in Richtung Süden über den Eifelhimmel ziehen, sind unterwegs zum Lac du Der in der Südchampagne. Dort ist es mit Tagestemperaturen im zweistelligen Bereich nicht ganz so kalt ist, wie bei uns in der Eifel. 60.000 bis 140.000 Kraniche machen hier Jahr für Jahr Station oder überwintern bei milden Temperaturen, um dann wieder auf dem gleichen Weg im nächsten Frühjahr zurückzukehren.

Kraniche werden metaphorisch auch „Vögel des Glücks“ genannt. In der griechischen Mythologie war der Kranich Apollon, Demeter und Hermes zugeordnet. Er war ein Symbol der Wachsamkeit und Klugheit und galt als Glücksbringer, vielleicht, weil die Rückkehr der Kraniche das Frühjahr verkündet.

Im japanischen Kulturraum gibt es das Sprichwort: „Der Kranich lebt tausend Jahre, die Schildkröte zehntausend Jahre „. In der Sache ist das sicher falsch, aber offenbar verknüpft man mit dem Vogel die Hoffnung auf ein langes Leben oder auch auf eine lange und ergiebige Geschäftsbeziehung.

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/kraniche-v%c3%b6gel-schlafplatzflug-1811095/

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