Lob dem Kuhfladen

Selten ist er geworden. Früher fand man ihn zu Tausenden auf unseren Wiesen, den Kuhfladen. Ein ausgewachsenes Rind allein produziert im Jahr soviel Dung, dass sich darin 100 Kilo Insektenmasse entwickeln können. Der Kuhfladen ist Kinderstube und Snackbar für fast hundert Käfer- und ungezählte Fliegenarten, die sich sich in den Fraß- und Kotgängen der Ausscheidungen der Rinder entwickeln . Seine Biomasse ist ein Hotspot der Artenvielfalt.

Seit Jahrmillionen wanderten große Pflanzenfresser durch die nacheiszeitlichen Landschaften. Mit der Beweidung großer Flächen sicherte die pflanzenfressende Großfauna die Erhaltung der Offenlandschaft und war der Garant einer enormen Artenvielfalt.

Zusammen mit dem Rotwild sorgten vor allem Wildrinder als Vorfahren unserer heutigen Weidetiere dafür, dass die Ausbreitung des Waldes unter Kontrolle gehalten wurde. Deshalb konnte sich allein in den Landschaften Deutschlands eine floristische Artenvielfalt von 8.500 erfassten Gefäßpflanzenarten in Deutschland entwickeln. Der Artenreichtum heimischer Flora war Voraussetzung für 48.000 Tierarten, die sich hier entwickeln konnte.

Heute, wo die Mehrzahl der Rinder aus ökonomischen Gründen ganzjährig in so genannten Boxenlaufställen eingesperrt werden, sind die Kuhfladen auf den Wiesen weitestgehend verschwunden. An die Stelle des Kuhfladens ist die Gülledusche getreten.

Das Verschwinden der Kuhfladen markiert einen Umbruch in der Weidewirtschaft. Die Mehrzahl unserer Rinder werden heute ganzjährig in Ställen gehalten. Und auch bei uns in der Eifel sieht man eher Freizeitpferde auf den Wiesen, während Kühe und Rinder auf der Weide ein seltener Anblick sind. Was in der Hühnerhaltung bei den Verbrauchern auf immer weniger Akzeptanz stößt, ist in der Milchviehhaltung zum Regelfall geworden. Und das hat ökologisch fatale Folgen.

Während in der traditionellen Weidehaltung die Hinterlassenschaften des Viehs mit Hilfe zahlreicher Destruenten aus dem Reich der Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen an Ort und Stelle abgebaut und in neue Biomasse umgebaut wird, verändert der massive Nährstoffeintrag in der Güllewirtschaft die Bodenstrukturen nachhaltig zu Lasten der Artenvielfalt.

An die Stelle des langsamen Abbaus des Dunghaufens ist eine schnell den Pflanzen verfügbare Soße aus Rinder- oder Schweinefäkalien, Urin und Resten von Stallstreu getreten. Auf den so entstehenden Fettwiesen dominieren nur wenige Gräser, die den reichen Gehalt an Nährstoffen im Boden, insbesondere Stickstoff, Phosphor und Kalium, für sich nutzen können. Diese gewollte Dominanz weniger Arten auf unseren Wiesen geht zu Lasten der Artenvielfalt.

Verschärft wird dieser Prozess durch den Zukauf von Futtermitteln und den Gülleexport aus Regionen, in denen eine intensive Tierhaltung betrieben wird. Das sind Gebiete, in denen mehr Nutztiere gehalten werden, als der Boden in der Lage ist, die dadurch anfallende Gülle als Dünger überhaupt aufzunehmen. Die Folgen sind Überdüngung, Nitrate, die ins Grundwasser und in die Gewässer ausgetragen werden, Emissionen von Methan, CO2 und Lachgas in die Atmosphäre.

Und diese Nährstoffüberdosis wird noch erhöht durch einen nie da gewesenen Stickstoffeintrag aus der Luft. Autoverkehr und Industrie stoßen davon heute pro Hektar so viel aus wie ein Bauer in der Landwirtschaft der 50er Jahre in Form von Stallmist auf seinen Flächen verteilte. Heute müssen zur Erhaltung von unter Schutz gestellten Magerwiesen ganze Naturschutzgebiete abgemäht und das Mähgut unter hohen Kosten abgeräumt werden, damit die pflanzlichen Hungerkünstler und ihre assoziierten Insekten noch eine Überlebenschance haben.

Im Dienste der Landwirtschaft werden regionale Überangebote an Gülle in Gebiete verbracht, wo es eine vermeintliche „Nachfrage“ nach Dünger gibt. Ein solches Nährstoffmanagement sieht auf den ersten Blick vernünftig aus, solange man die Erhaltung von Artenvielfalt als Ziel ausklammert.

Und all das steht im Dienste der Überproduktion von Fleisch, Milch, Kartoffeln, Zucker und Getreide, das zu Weltmarktpreisen auf Kosten der Artenvielfalt exportiert wird. Und auch die „Energie vom Acker“ ist mit Blick auf die Erhaltung von Artenvielfalt mehr Fluch als Segen.

Weitere interessante Informationen zum Thema:

Quarks Podcast: Warum ohne Kuhfladen ein wichtiger Lebensraum verloren geht ( ab Minute 58 )

Bild3: Bildquelle: Von A.Savin – Eigenes Werk, FAL,


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