Täuschblumen

Das Kuckucks-Knabenkraut gehört zu den noch relativ häufigen Orchideen auf den Kalkmagerrasen rund um Marmagen. Die spiegelsymetrischen Blüten erinnern an Lippenblütler wie die Blüten der Minzen, der Salbeiarten oder auch Basilikum und Lavendel. Doch im Gegensatz zu dieser Pflanzengruppe, die regelmäßig ihre Bestäuber mit reichlich Nektar versorgt, hat diese Orchidee den Hummeln, die sie besuchen, nichts dergleichen zu bieten. Sie setzt auf dieses Täuschmanöver und ist außer ihrem Erscheinungsbild und ihrer intensiven Violett Färbung fast geruchlos.

Die Beobachtung, dass ihre Besucher sie zwar bestäuben – notfalls funktioniert bei ihr auch die Selbstbestäubung – aber selbst leer ausgehen, hat ihr wohl den „Kuckuck“ als Namensbestandteil eingetragen und zu Recht bezeichnet man solche Trickbetrüger in der Pflanzenwelt auch als „Täuschblumen“, die von Mutualismus, so nennen die Biologen das Gegenseitigkeitsprinzip, nichts halten.

Wie man aber auf „Knabenkraut“ oder auch zu dem merkwürdigen Betonung des Maskulinen im alternativen Vulgärnamen „Männliches Knabenkraut“ kommt, würde sich dem sprachinteressierten Naturfreund sofort erschließen, wenn er sie ausgräbt. Denn die Wurzel des Krautes besteht aus einem Knollenpaar, das stark an männliche Hoden erinnert.

Da wundert man sich nicht, dass die Knollen der Knabenkräuter im Mittelalter in der Heilkunde als Aphrodisiakum galten oder, wie bei Paracelsus, gegen Hodenleiden empfohlen wurden. Grundlage für diesen Glauben war die sogenannte Signaturenlehre, die in solchen Ähnlichkeiten die Zeichen Gottes dafür sah, wofür Pflanzen medizinisch für den Menschen nützlich anzuwenden seien. So drängte man Frauen, die einen Sohn gebären sollten, die kräftigere der beiden Knollen dieser Orchideenart zu verzehren, daher „Knabenkraut“.

Aber das Mittelalter haben wir ja zum Glück hinter uns gelassen, zumindest die etwas aufgeklärteren Menschen. Es kommt heute ja auch keiner mehr auf die Idee, den zermahlenen Schädel eines Mordopfers als Heilmittel gegen Hirnkrankheiten zu verordnen. Bei dieser skurrilen Rezeptur aus dem mittelalterlichen Katalog der Heilmittel haben sich die Menschen genau so getäuscht, wie die Hummel, die in Erwartung eines kräftigen Schluckes Nektar auf den Blüten der Orchidee herumschnüffelt.

Heute wissen wir: Die beiden Wurzelknollen der Orchideen sind sogenannte Überdauerungsknollen oder auch Wechselknollen, wobei eine für das aktuelle Wachstum der Orchidee verantwortlich ist, während die andere für die Blüte des Folgejahres bestimmt ist.

Also lassen wir die Knabenkräuter dort stehen, wo wir sie finden, auch wenn sie im Falle des Kuckucks-Knabenkrauts gar nicht so selten sind. Es genügt ja, einmal mehr die zahlreichen Geschöpfe der Evolution und ihre Überlebensstrategien zu bewundern.

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