Hotspots der Artenvielfalt

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Es ist ein Summen in der Luft. Auch wenn die Blüten der Salweide in der Nähe meines Waldbienenstandes zu hoch hängen, um die Aktivität der Insekten genauer beobachten zu können, kann ich deutlich hören, was in den Weiden über mir los ist. Ich denke, es sind meine Bienen, die die Weidenpollen als Aufbaunahrung für ihre Brut sammeln und nach Hause tragen. Das drückt sich auch in einem alten Eifler Sprichwort aus, das da heißt: An er klenen Heck setzt däck’n got Bei. (An einer kleinen Hecke findet man oft einen guten Bienenstock).

Feldhecken und Waldsäume sind Hotspots der Artenvielfalt. Viele Tierarten bevorzugen Waldränder eher als das Waldinnere. In den Hecken finden sie Schutz. Hier leben Baumpieper und Heckenbraunelle, hier nisten und nutzen Neuntöter oder der Gartenrotschwanz das überreiche Nahrungsangebot. In der Dämmerung und nachts jagen Fledermäuse. Säugetiere, wie Igel, Fuchs, Dachs, Hasen, Mäuse und Siebenschläfer, finden hier Verstecke und ausreichend Nahrung. Am Waldrand finden sich für die Forstwirtschaft eher unbedeutende Bäume wie Kirsche, Weiden, Vogelbeere oder Birken, die unter dem dichten Laubdach eines Buchenbestandes, keine Chance hätten, weil ihnen dort das nortwendige Licht fehlt. Und natürlich die vielzweigigen Heckengewächse und niedrigwüchsige Pflanzen wie der Haselnussstrauch, Weiß- und Schwarzdorn, der Faulbaum, Wildrosen, oder auch Brombeeren und Himbeeren.

Das gleiche gilt auch für die Feldhecken, von denen in den letzten 70 Jahren fast die Häfte aus den Agrarlandschaften verschwunden sind. [1] Dabei waren Hecken noch nie so wertvoll wie heute. Denn sie sind nicht nur Garanten für Artenvielfalt, sie binden auch fast genau so viel CO2 wie ein Wald.

Leider sind jetzt viele Weiden im unteren Bereich der Sträucher und Bäume entlang der Wege bei den Heckenschneideaktionen der letzten Wochen radikal gestutzt worden. Für mich als Naturfreund und Imker ist das sehr ärgerlich, vor allem, wenn der Heckenschnitt weit über das hinaus geht, was eigentlich nötig gewesen wäre.

„Das wächst doch nach!“ bekommt man zu hören, wenn man sich über den radikalen Rückschnitt beschwert. Was man nicht versteht ist, dass man nicht nur den Honigbienen sondern auch den anderen frühen Insekten für das aktuelle Jahr ohne Not eine wichtige Nahrungsquelle genommen hat.

In § 39 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist seit 2010 bundesweit einheitlich festgelegt, dass Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September nicht abgeschnitten oder auf den Stock gesetzt werden dürfen. Forscht man nach dem Grund für diese Regelung, findet man, dass die Nist-, Brut- und Zufluchtsstätten der Vögel während ihrer Brutzeit nicht beschädigt oder zerstört werden sollen, damit die Vögel in Ruhe ihre Jungen aufziehen können.

Das ist in meinen Augen zu kurz gedacht. Wer Vögel schützen will, muss vor allem auch deren Nahrungsnetze im Blick haben. Und dazu gehören sowohl die Insektenmasse als auch die Beeren, Nüsse und Samen der Heckenpflanzen. Ein Meisenpaar und seine Jungen z.B. fressen bis zu 150 kg Raupen und Insekten pro Jahr. Und die finden sie zu einem großen Teil im Lebensraum Rinde. Die Rinde von Bäumen und Hecken sind kleine Biotope, die nicht nur pflanzliche
und pilzliche Besiedler haben. Einem Heer von Insekten, Spinnen, Nackt- und
Gehäuseschnecken bietet sie Überwinterungsmöglichkeiten und Lebensraum. [2]

Mit den Baumfäll- und Heckenschnittaktionen werden die darin befindlichen Insektenlarven, die ja noch nicht aus ihrer Winterruhe gekommen sind, dezimiert. Statt wenigstens den Heckenschnitt noch ein paar Wochen liegen zu lassen, wird das holzige Material für Hackschnitzelanlagen verladen oder an Ort und Stelle geschreddert und in die Böschungen verblasen.

Wenn man dann noch die überwinterten Trockengräser entlang der Wege mit Mulchgeräten kleinhäckselt, vernichtet man zusätzlich die Insektenarten, die sich die Stängel der Gräser als Überwinterungsplatz für ihren Nachwuchs ausgesucht haben.

Und am Ende stellen wir erschreckt fest, dass wir es überall mit einem sich immer weiter beschleunigenden Artenschwund zu tun haben, ohne zu erkennen, dass die Ursachen dafür auch in unseren unbedachten „Pflegemaßnahmen“ liegen.

Eigentlich brauchen wir dringend einen neuen Blick auf das Thema Hecke. Sie ist kein nutzloses Gestrüpp, sondern ein wichtiges Landschaftselement. Sie speichert CO2, ist enorm wichtig für die Artenvielfalt sowie für den Erhalt der Böden.

„Pro Hektar wird in einer Hecke im langjährigen Mittel fast genauso viel Kohlenstoff gebunden wie in Wäldern. Dies kann mit der hohen Dichte an Ästen und Zweigen in Hecken und den guten Wuchsbedingungen in der Agrarlandschaft erklärt werden. Besonders viel Kohlenstoff wird auch in den Wurzelstöcken der Hecken gebunden. In den letzten 70 Jahren wurde aber fast die Hälfte aller Hecken in Deutschland beseitigt, meist durch Flurbereinigungsmaßnahmen.“ konstatiert das Thünen Institut, das sich die nachhaltige Nutzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die vitale Entwicklung ländlicher Räume zum Ziel gesetzt hat. [3] Die hier arbeitenden Wissenschaftler schreiben der Neuanlage von Hecken auch günstige Wirkungen beim Erosionsschutz der landwirtschaftlichen Böden und bei Dürresommern zu.

Um die in den letzten 60 Jahren gerodeten Hecken wieder neu anzupflanzen, würden nur 0,3 % der landwirtschaftlichen Fläche benötigt. Damit ließen sich die ausgeräumten Agrarlandschaften wieder einräumen und gleichzeitig 10 Millionen Tonnen CO2 binden und klimaunschädlich machen. [4]

Bei der Bundesrergierung hat man die Wichtigkeit des Heckenschutzes und auch für die Neuanlage von Hecken erkannt. Aus dem Klimatransformationsfonds (KTF) stehen 100 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld soll zwischen 2025 und 2027 eingesetzt werden, um das Landschaftsbild in Deutschland mit Knicks, Hecken und Baumpflanzungen zu ändern. Damit ließen sich die ausgeräumten Agrarlandschaften wieder einräumen und gleichzeitig 10 Millionen Tonnen CO2 binden.

Quellen:

[1] ZDF: Hecken als CO2-Speicher – und Artenschützer externer Link:
[2]Heinz Forstinger, „Drunter und drüber ….“ Rinde als Lebensraum externer Link:
[3] Hecken sind Klimaschützer externer Link:
[4] Wunderwerke am Feldrain – Die Hecke soll zurück externer Link:

Heckenretter – Warum Hecken so wichtig sind externer Link:

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